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Religiöse Erziehung und personale Integrität

Lieber benutze ich den Begriff Begleitung statt Erziehung

Im Verlaufe des zweiten Lebensjahres verengt sich die Sicht des Kindes, es verliert zunehmend den unmittelbaren Zugang zu Gott und beginnt "Ich" (das göttliche Wort) zu sich zu sagen. Diese Verengung hilft zur notwendigen Eigenständigkeit in einer heutigen, offeneren Welt, ist aber zugleich im Ansatz bedrohlich. Was im Altertum heilige Verklärung und Orakel war, kann nun in moderner Zeit psychisch/geistige Erkrankung werden.

Der eigentliche Sinn jeder religiösen Begleitung sollte daher die Verselbständigung des Kindes sein. Das heißt die eigene Hinwendung zu Gott und der Abschied von den Eltern. An ihrem Ende hat diese wohlwollende Begleitung dem Kind einen eigenen, tatsächlichen Bezug zu Gott ermöglicht. Damit wird es vollständiges, mündiges Glied der menschlichen Gemeinschaft und der Gemeinde und trifft seine Entscheidungen aus eigener, menschlicher Kompetenz "mit Gottes Hilfe".

Kurioserweise kann sich dies auch in einem sprachlichen Atheismus ausdrücken, der sogar den Verlust der Zugehörigkeit zu der bisherigen Gemeinde, niemals aber der Zugehörigkeit zur menschlichen Gemeinschaft und der persönlichen Beziehung zu Gott bedeuten kann. Auch ein solches Kind bleibt Kind Gottes, denn nicht die menschliche Sichtweisen, sondern göttliche Wirkungszusammenhänge sind absolut.
Insofern ist die Begründung eigener Taten und Überzeugungen durch eine ausdrückliche gläubige oder ungläubige Berufung auf Gott per se immer Sünde. Denn sie birgt die Sünde wider den göttlichen Geist, auch wenn sie "gut gemeint" oder "aus tiefer Gläubigkeit (Überzeugung) heraus" erfolgt. Es gilt eben auch oder gerade für sehr erfahrene Menschen und natürlich für Priester insbesondere. *)
Das für die meisten Menschen auch heute noch immer unfassbare Spannungsverhältnis zwischen äußerer Welt und göttlicher Welt ist eines der wesentlichen Themen, denen sich auch der moderne Islam inzwischen angenommen hat. Es steht im Zusammenhang mit der religiösen Grundforderung, sich kein Bildnis zu machen, die allen großen Religionen zueigen ist. Der Islam hätte eine größere Hilfe durch das Christentum, wenn sich beide Religionen in ihrer herrschenden Ausprägung nicht gerade in diesem Punkte zu ähnlich wären. Zudem kommt leider, dass der "heilige Krieg" des Christentums (Kreuzzüge) von islamischer Seite noch nicht hinreichend verkraftet ist. **)

Gerade im Christentum als seit zweitausend Jahren erweiterter Offenbarungsstufe werden deshalb die Ich-Kräfte in besonderem Maße gefördert und begleitet. Die personale Integrität eines Menschen beinhaltet daher immer zumindest den Ansatz der Aufhebung dieser Verengung der Ich-Sicht und einen Zugang zur unfaßbaren Wahrheit Gottes.. (Ich bin der ich bin).

Psychisch/geistige Erkrankungen haben daher im Grunde zwei Vorraussetzungen. Das Unverständnis für den eigentlichen Charakter der eigenen Ichheit und mangelnde Einsicht in den Ursprung des Ichs als Instanz göttlicher Kindschaft. Der körperlichen Konstitution wird dabei in der Regel eine zu große Bedeutung zugemessen. Dies gilt für Klein oder Groß, für Jung oder Alt, für intelligent und dumm. Fasse es, wer es fassen kann.

Eine naturwissenschaftlich, allopathische Medikamententherapie kann daher niemals eine geisteswissenschaftliche (im Kern also religiöse) Lösung ersetzen, sondern lediglich vorübergehnd physiologische Rahmenbedingungen abmildern.
Eine für das Kind moderate religiöse Begleitung ist daher eine höchst wirksame Prävention für Sucht- und psychisch/geistige Erkrankungen. Falsch verstanden kann sie aber gerade dies alles auch auslösen.

 

Karim Rana 04. September 1980

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*) Es zeigt sich numehr in aller Schärfe durch die Welle der bekanntgewordenen Mißbrauchsfälle am Ende der 10er Jahre des 21. Jahrhunderts.

**) Der 11. September 2001 verdeutlicht dies in erschreckender Weise und zeigt, dass Zeitablauf und Fortschritt allein keine hinreichenden Bedingungen für die Heilung alter Wunden sind.

(Anmerkungen vom 04. Sept. 2010)

 

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